Anemochorie, 2020, Acryl / Öl auf Leinwand, 157 x 147 cm

Anemochorie, 2020, Acryl / Öl auf Leinwand, 157 x 147 cm

Galerie Holthoff

Fischers Allee 70, 22763 Hamburg
Tel. 040 88189716

E-Mail Tickets:     mail@galerie-holthoff.de

Muriel Zoe . Anemochorie

new paintings 2020/21

Offene Gesten des Geheimnisvollen. Neue Malerei von Muriel Zoe

Die Figuren in Muriel Zoes aktueller Malerei sind in mysteriöse Handlungen verwickelt. Sie greifen förmlich etwas aus der Luft, halten undefinierbare Gegenstände in den Händen, winken einem unsichtbaren Gegenüber zu oder deuten auf etwas, das sich dem visuellen Zugriff entzieht. Die unkenntlichen, verschwommenen, wie von Farbschleiern verdeckten Gesichtszüge der Agierenden lenken den Blick auf deren Körperhaltung: An die Stelle mimischer Details rückt der gestische Ausdruck, der in Zoes gemalten Bewegtbildern im Fluss bleibt und keine eingleisige Lesart zulässt. Die Hamburger Künstlerin (*1969, aufgewachsen in Norddeutschland und Südindien), die sich mit Druckgrafik und Malerei ebenso einen Namen gemacht hat wie als Musikerin, ist in ihren Bildern aus der jüngeren Zeit den Tiefendimensionen des Alltäglichen auf der Spur. Die Gesten ihrer Sujetsentspringen  konkreten, oft ganz beiläufigen Aktivitäten des Lebens, die in den Kompositionen geheimnisvolle Ambiguität entfalten. Als Ausgangsmaterialien dienen Zoe eigene Skizzen ebenso wie private und gefundene Fotografien, Zeitungsausschnitte, Erinnerungen und Screenshots. Intuitiv ausgewählte Bildfragmente werden von ihr aus dem jeweiligen Ursprungskontext herausgelöst, um vielfältige Bedeutungsebenen freizusetzen.

Die Künstlerin baut ihre Malerei in einem vielschichtigen Verfahren auf, in dessen Verlauf das jeweilige Motiv überlagert, verwischt, transformiert und zunehmend abstrahiert wird. Die Verwendung stark verdünnter Acryl- und Ölfarbe wurde durch die von Zoe langjährig druckgrafisch eingesetzte Lithografie-Tusche inspiriert. Durch die flüssige Konsistenz der Farbe wird die spezifische Transparenz und Fluidität erzeugt, die auf der Bildfläche unterliegende Strukturen wie durch einen Farbdunst hindurchschimmern und die Prozesshaftigkeit ihrer Malerei sichtbar werden lässt. Die lakonischen Titel der weitgehend 2019/2020 entstandenen Arbeiten sind gezielt offengehalten: Discovery, Gardening, Weaver, Winkender, Zubereitung, Zuschauerin. Sie haben lediglich Hinweis-Charakter, bieten eine lose Rahmung für eigene Einstiege der Betrachterin, des Betrachters in Zoes rätselhafte Aktionsräume.

Das gilt auch für die Arbeit Anemochorie, die auf das Phänomen der Windausbreitung von Blütenpflanzen Bezug nimmt und als Leitmotiv der gegenwärtigen Ausstellung in der Galerie Holthoff fungiert. Ausgehend von einer Fotovorlage, in der eine Frau eine Pflanze auseinanderzupft, damit sich die Flugsamen in der Luft verteilen können, zeigt das gemalte Bild eine objektlose

Pantomime des konzentrierten Emporhaltens. In einem weiteren Bild, Handsign (2020), basierend auf einer fotografischen Repräsentation von Gebärdensprache, ist das Handzeichen der dargestellten Figur vielfältig interpretierbar und verdeutlicht die zentrale Rolle, die Gesten als Instrumente der Kommunikation und des Verhaltens in unserer Welt und Wirklichkeit einnehmen.

Muriel Zoe entwickelt in ihrer Malerei eine gleichermaßen dynamische wie filigrane Choreographie der Handbewegungen und Handlungen, die sich als Chiffren des menschlichen Daseins von der individuellen zur kollektiven Expression erweitern. „Jedes Bild hat eine eigene Geschichte“, sagt die Künstlerin. Diese Geschichten aber bleiben bis auf Weiteres vielsträngig, ohne Auflösung oder Konklusion, in der Schwebe. 

Belinda Grace Gardner

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  • 11.02.2021 - 26.03.2021
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