„Demokratie und Diktatur in Deutschland aus britischer Sicht“
Kreismuseum Wewelsburg

Burgwall 19, 33142 Büren-Wewelsburg
Tel. 02955/7622-0

Tickettelefon:    02955/7622-0

„Demokratie und Diktatur in Deutschland aus britischer Sicht“

11. Wissenschaftliches Symposium im Burgsaal

Wie haben britische Frauen die Jahre der ersten Demokratie und der beginnenden Diktatur in Deutschland erlebt? Welche Berührungspunkte gab zwischen nationalsozialistischem und britischem Elitenachwuchs in den 1930er Jahren? Wie stellt sich der Umgang der Deutschen mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit seit 1945 aus britischer Sicht dar?

Beim diesjährigen Symposium richten vier britische Historikerinnen ihren Blick auf zumeist bislang wenig beachtete Aspekte des deutsch-britischen Beziehungsgeflechts von der Weimarer Republik bis heute.

Das Symposium findet im Rahmen des Vortragsreihe „BRITISCHE BLICKE AUF DEUTSCHLAND IM 19. UND 20. JAHRHUNDERT“ zur Sonderausstellung "Briten in Westfalen" statt.

 

Vorträge

British Women’s Views on Germany, 1918-1939
Dr. Helen Boak (University of Hertfordshire)

Helen Boaks Vortrag beschäftigt sich mit den Eindrücken und Erfahrungen britischer Frauen, die zwischen 1918 und 1939 Deutschland besuchten oder hier lebten. Einige waren mit deutschen Männern verheiratet. Andere kamen als Angehörige der britischen Besatzungssoldaten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ins Land, manche arbeiteten als Journalistinnen oder sie nutzten als Touristinnen die günstigen Wechselkurse der 1920er Jahre. Anhand ihrer Tagebücher, Briefe, Artikel und Memoiren stellt Boak britische Frauen vor, die sich für den Alltag der Deutschen während der alliierten Besetzung des Rheinlandes interessierten, oder die erfahren wollten, wie es sich in Berlin lebt, der Heimat der „Neuen Frau“, berühmt für seine Modernität, Experimentierfreude und Dekadenz. Nicht zuletzt wollten Britinnen mit eigenen Augen sehen und erleben, welche politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten sich ihren deutschen Geschlechtsgenossinnen durch die Novemberrevolution 1918 und die Weimarer Verfassung vom August 1919 eröffnet hatten. Am Ende stellt sich die Referentin die Frage, wie britische Frauen bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs den Einfluss wahrnahmen, den die nationalsozialistische Diktatur auf das Leben der deutschen Frauen nahm.


„Zwischen Freundschaft und Feindschaft“: Exchange programmes between the Nationalpolitische Erziehungsanstalten and British public schools during the 1930s
Prof. Dr. Helen Roche (Durham University)


Zwischen 1934 und 1939 fanden eine Reihe von Schüleraustauschen zwischen zwei sich als elitär verstehenden Schulformen in Deutschland und Großbritannien statt: den nationalsozialistischen Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (Napola) auf der einen Seite und den privat finanzierten Public Schools auf der anderen.
Unter Verwendung von zeitgenössischen Quellen und den Augenzeugenberichten ehemaliger beteiligter Schüler analysiert Helen Roche, wie sich die wechselseitigen Sichtweisen der deutschen und britischen Jungen aufeinander in diesem Zeitraum entwickelten. Anhand dieser Detailstudie möchte sie die britisch-deutschen Beziehungen vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs beleuchten. Auch werden die ideologischen Hintergründe des Austauschprogramms erläutert.

Die Auseinandersetzung mit der „dunklen Vergangenheit“ des Nationalsozialismus in Touristenzielen in Deutschland
Dr. Caroline Pearce (Institut für Zeitgeschichte, München – Berlin)

Mit dem Begriff des „dark tourism“ sind Reiseziele verbunden, deren Anziehungskraft auf BesucherInnen und Besucher auf eine scheinbar geheimnisvolle, meist gewalttätige oder verbrecherische Vergangenheit des Ortes zurückzuführen ist.
Dieser Vortrag befasst sich mit der Entwicklung und den Herausforderungen des „dark tourism“ in Touristenzielen in Ostdeutschland, die mit der Geschichte der nationalsozialistischen Verbrechen verbunden sind:
Die Festung Sonnenstein oberhalb von Pirna in Sachsen war während des Zweiten Weltkriegs eine der Tötungsanstalten im Rahmen der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde. In dem nationalsozialistischen „Musterdorf“ Alt-Rehse (Mecklenburg-Vorpommern) befand sich die „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“, wo Ärzte, Hebammen und weitere Gesundheitsfunktionäre in Themen wie Rassenhygiene „weltanschaulich“ geschult wurden.


Die NS-Vergangenheit in Ost und West: Juristische Aufarbeitung, Erinnerungslandschaften und
inter-generationelle Auswirkungen
Prof. Dr. Mary Fulbrook (University College London)


Dieser Vortrag stellt folgende Thesen vor:
Unter ehemaligen Tätern, Mittätern, Mitläufern und Mitwissern fand in den ersten Nachkriegsjahren eine breitere Aufarbeitung der NS-Vergangenheit statt, als üblicherweise dargestellt wird. In den Nachkriegsjahrzehnten wurden aber die meisten ehemaligen Nazi-Anhänger zu guten Demokraten im Westen und DDR-Bürgern im Osten. Und im Laufe der Zeit wurde der Begriff dessen, was es heißt, ein „Täter“ zu sein, immer enger definiert. Für Opfer und Überlebende von NS-Verfolgung war aber das Schaffen eines neuen Lebens viel schwieriger.
Ab Ende der 1970er Jahre aber rückte die Auffassung vom „Holocaust“ – welcher nun als solcher explizit konzipiert wurde – infolge des wachsenden öffentlichen Interesses an den Vernichtungslagern und der Vernichtung im Osten in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Und just zu diesem Zeitpunkt wurde es vielerseits einfacher, für ehemalige Täter und Mitläufer die eigene Mitschuld oder Verstrickung herunterzuspielen. Immerhin: das Gefühl einer belasteten Vergangenheit plagte manche Mitglieder jüngerer Generationen, die selber nicht an NS-Gewalt beteiligt gewesen waren. Gequält von Gewissensbissen standen sie hinter immer neuen Versuchen, Opfergeschichten zu sammeln, Gedenksteine zu setzen, eine erweiterte Erinnerungslandschaft zu gestalten. Nach der Vereinigung ist Deutschland zum Weltmeister des sichtbaren Gedenkens an die Opfer geworden. Aber die Täter und Mittäter bleiben immer noch etwas im Schatten.
In den ersten und zweiten Generationen war die NS-Vergangenheit auf verschiedenen Weisen unvermeidlich; in der dritten Generation war man schon emotionell etwas ferner davon, konnte sich also etwas leichter an die NS-Vergangenheit annähern und Fragen stellen ohne sich selbst irgendwie in Gefahr zu stellen. Aber mit der vierten oder fünften Generation werden andere Herangehensweisen nötig sein, wenn die NS-Vergangenheit noch irgendwie nah bleiben soll.

 

Die Teilnahme ist kostenfrei.
Um Anmeldung  wird gebeten, Tel. 02955 7622-0 oder info@wewelsburg.de


In Kooperation mit dem Förderverein Kreismuseum Wewelsburg e. V.
Alle Vorträge sind in deutscher Sprache. Das Symposium dauert bis ca. 18 Uhr.