Kafkas Welten
Schaubühne Köln

Bonner Wall 6, 50677 Köln
Tel. (0221) 3406365

Tickettelefon:    (0221) 3406365
E-Mail Tickets:     tas.theater@gmx.de

Kafkas Welten

"Diese ungeheure Welt, die ich im Kopf habe."

H. Georg über die Inszenierung unter der Überschrift: "Schrecken der Kindheit Theater am Sachsenring: Kafkas Welten. Inszenierung: Joe Knipp Kafkas Texte bergen vielfältige Geheimnisse. Zur Kennzeichnung des rätselhaft Abgründigen in diesen Texten gefällt uns die Vorstellung von einer „kafkaesken“ Welt. In dieser Welt dominiert ein Gefühl dunkler Ungewissheit angesichts rätselhafter Bedrohungen, die von Mächten ausgehen, deren konkrete Struktur nicht fassbar scheint. Sie erscheinen als mächtige Behördenapparate, denen man hilflos ausgeliefert scheint. Die „kafkaesken“ Zustände in Kafkas Welten üben auf uns einen Reiz aus. Das peinigend Unentrinnbare, das in den Texten oft einhergeht mit düsterer Komik, versetzt uns in wohliges Entzücken, je sicherer wir sein dürfen, selbst niemals in derartige Situationen zu geraten. So gerät Kafkas Werk aber auch auf eine diffuse Höhe des Unverbindlichen. Kafkas Welten scheinen weit entfernt von unseren Alltagswelten. Joe Knipp zeigt nun im Theater am Sachsenring, wie spannend und erkenntnisreich es sein kann, „Kafkas Welten“ wieder in die Alltagswelten zurück zu führen. Ausgangspunkt für Knipps Interpretation ist die Erzählung „Die Verwandlung“. Die verunsichernde Geschichte von der „eines Morgens“ stattgefunden habenden Verwandlung Gregor Samsas in ein „ungeheures Ungeziefer“ verknüpft Knipp mit Textteilen aus der Erzählung „In der Strafkolonie“, wo ein Offizier die Funktionsweise einer grausamen Hinrichtungsmaschine dazulegen versucht, sowie einer kurzen Passage aus dem „Brief an den Vater“. Hier findet sich das Motiv für diese Inszenierung: Knipp greift die von Kafka in diesem Brief thematisierte Auseinandersetzung mit einem Furcht einflößenden Vater in einer autoritär geprägten Erziehungswelt auf. Diese Erziehungswelt hatte bereits zu Zeiten Kafkas eine bis heute populäre Darstellungsform in einem Kinderbuch erhalten: Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter. Eben diesem Buch scheint David Koch entstiegen, wenn er die kleine nach hinten sich verengende Bühne betritt: kurze braune Trägerwollhosen, Suppenkaspargesicht. In dem nun folgenden furiosen Solo erobert er die Bühne als Zappel-Philipp ebenso wie als Hans-Guck-in-die-Luft. Zunächst aber lässt er uns an der Verwandlung Gregor Samsas teilhaben. Mit wenigen klug eingesetzten Requisiten erspielt er das Szenario in der Wohnung angesichts des ungeheuren Vorgangs der Verwandlung. Während der immer exakt und souverän gesprochene Text Kafkas das Szenario als ebenso kurioses wie dennoch reales Geschehen erscheinen lässt, deutet das Spiel die andere Ebene an: Gregor Samsas Verwandlung erscheint als Fantasie eines Kindes, hinter welcher ein Aufbegehren gegen die patriarchalisch-autoritäre Familienwelt erkennbar wird. Zu dieser Welt gehört auch das merkwürdig grausame Bestrafungssystem in der Strafkolonie. David Koch wechselt unvermittelt in diesen Text und wieder zurück. Mit allerhand neurotischen Verrenkungen erläutert der Offizier dem Besucher die Funktionsweise der Hinrichtungsmaschine. Während er noch in Worten das grausam-autoritäre Regime in der Strafkolonie entstehen lässt, turnt David Koch über die Bühne bereits wieder als Zappel-Phillip und Hans-Guck-indie-Luft. Auf eine verblüffend einleuchtende Weise gehen die Hoffmann'schen Figuren ein Bündnis mit den Kafka-Texten ein. Deren Rätselhaftigkeit erweist sich als Ausdruck einer autoritären Zwangsgesellschaft. Die Hoffmann'schen Figuren scheinen durch ihr kindlichanarchisches Ausbrechen aus dem Korsett des Zwanghaften eine Befreiung zu ermöglichen. Wir wissen, dass dies nicht gelingt, die Strafe für das nicht fügsame Kind folgt unerbittlich. So bleibt nur die Flucht in die Fantasie. Eine innere Befreiung bevor der Vater kommt. Eine kleine, sehr feine Aufführung mit einem tollen David Koch!" Kafkas Welten ist nominiert für den Kölner Theaterpreis 2009 Die KRundschau schreibt über Kafkas Welten: "Mit halsbrecherischer Präsenz turnt Koch in seinen kurzen braunen Hosen über die Balustrade zum Zuschauerraum, stößt dabei fast mit dem Kopf an die Decke, aus der er Bonbons zutage fördert, schnaubt, schnarrt, grunzt, quietscht – und redet, redet, redet. Die Augen sind schwarze Löcher im weißgeschminkten Gesicht, eine Gießkanne wird in Kochs fulminantem Monolog durch ein paar Stofffetzen zu Vater, Mutter, Schwester. Getrieben vom Hass auf die ganze Welt rast er durch seine Vision von der Verweigerung alles Menschlichen, wobei der junge Schauspieler eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit beweist." Kafka wollte die „Strafkolonie“, die unter dem Eindruck des Kriegsausbruchs entstand, ursprünglich mit der „Verwandlung“ und dem „Urteil“ unter dem Titel „Strafen“ herausbringen – der Sinnzusammenhang der Texte ist also durchaus gegeben. In Hannelore Honnens klaustrophobisch sich verengender Bühne gewinnen die Machtfantasien des Jungen eine außerordentliche Plastizizät. Durch die mehrfache Brechung der Hauptfigur finden Knipp und Koch einen zeitgemäßen Zugang zu Kafkas verrätselten Texten, die so auch heutigen Schülern (und Lehrern) viel „Futter“ bieten können. (75 Minuten ohne Pause) auch der Kölner Stadt-Anzeiger ist begeistert: "Ein Szenario wie in einem expressiven Stummfilm. Vor strenger Bauhaus-Kulisse erscheint David Koch, zum monströsen Riesenbaby stilisiert, das Gesicht mondfahl geschminkt. Ein markerschütterndes Krächzen entfährt ihm. Das letzte Röcheln eines verrückt Gewordenen? Der Sound eines Aasgeiers, der nach der Beute giert? Weit mehr als Kafka zum Abnicken kitzelt Joe Knipps Inszenierung aus den Erzählungen 'Die Verwandlung' und 'In der Strafkolonie' heraus. Freilich tauchen die zentralen kafkaesken Bilder auf, so ist von Apparaten die Rede, die willkürlich Urteile ausgeben, und von einer Mutation zum Käfer - doch werden die Geschichten so geschickt verzahnt, dass sich ein lyrischer Schwebezustand einstellt zwischen einer Familienanalyse und einer Parabel über Bürokratie. Privates und Politisches vermengen sich. (...) Wenn die Wände Stromstöße verteilen, wenn Nähmaschinen von alleine zu laufen beginnen und einem gar die Finger durchlöchern, dann scheint alles um einen herum animiert zu einer einzigen gewaltigen Bedrohung, der man schutzlos ausgesetzt ist. Ein Abend, der Ohnmachtszustände konsequent ausfabuliert, und eine beeindruckende Energieleistung von Koch." (peb) und Ulrike Westhoff schreibt in der StadtRevue: "... Regisseur Joe Knipp bringt in seiner Ein-Personen-Adaption "Kafkas Welten" Klarheit in die Sache. Er fokussiert die (erzählerische) Macht der Sprache des Pragers als Gegensatz zu dessen stets beängstigender, unberechenbarer fiktionalen Welt. Dazu tobt David Koch als junger Franz - facettenreich gespielt - durch die Texte der "Verwandlung" und der "Strafkolonie". Seine Erregtheit oder Emphase bricht die Inszenierung geschickt durch wechselnde Positionen. Sie zeigt wie das Irrationale im Spiel funktioniert und den Unterschied zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit nach und nach auflöst." Autor - Franz Kafka Regie und Textbearbeitung - Joe Knipp Schauspieler - David N.Koch Bühnenbild und Kostüme - HHonnen Licht - Wolfgang Wehlau Regieassistenz - Andrea Richarz Foto - Wolfgang Weimer